Wenn jedes Zehntelmillimeter zählt
Mitternacht im Atelier. Massstab 1:200. Abgabe um 08:00. Die Fassade lebt von 0.5 mm Stegen und präzisen Schattenfugen. Gips reisst. Epoxy verzieht sich. Zeit bleibt keine. RTV‑2 Silikon bringt Ordnung in den Ablauf: Form bauen, entformen, wiederholen. Jedes Bauteil trifft das Mass. Das Modell wirkt ruhig, scharf, überzeugend.
Anforderungen im Architekturmodellbau
- Detailtreue bis in Sub‑Millimeter und Negativradien.
- Prozesssicherheit von Topfzeit bis Entformung.
- Kompatibilität mit Acrystal, Biothan, Gips, Beton.
- Skalierbarkeit vom Einzelstück bis Kleinserie.
- Sauberes Handling im Studio, möglichst lösemittelfrei.
Additionssilikon vs. Polykondensation (PC)
Kriterium | Additionsvernetzend (z. B. PRO, MF‑Typen) | Polykondensation PC |
---|---|---|
Schrumpfung | sehr gering, typisch < 0.1 % | systembedingt ca. 0.2–0.5 % |
Mischung | oft 1:1 nach Gewicht | typisch 100:5 bis 100:10 |
Aushärtung | zeitgesteuert, wärmebeschleunigbar | feuchteabhängig, Nebenprodukt Alkohole |
Empfindlichkeit | sensibel auf Zinn/Schwefel‑Kontamination | tolerant im Handling |
Einsatz | höchste Präzision, filigrane Geometrie | grosse, robuste Formen, Kostenfokus |
Temperaturbereich (Richtwert): ca. –50 °C bis +180 °C nach Aushärtung.
Die passenden SILISIL Serien
MF – Molding & Formenbau
Allround im Architekturmodellbau. Härtebereiche ca. 20–40 Shore A. Balance aus Flex und Stabilität.
PRO – Präzision & Schmuck
Additionsvernetzend, minimale Schrumpfung, sehr hohe Detailwiedergabe. Ideal für feinste Konturen.
PC – Polykondensation
Zinnkatalysiert, einfaches Handling. Mischungsverhältnis typisch 100:5 bis 100:10. Schrumpfung ca. 0.2–0.5 %. Für Gips, Beton und Acrystal bei grossen Formen. In der Regel nicht für Lebensmittelkontakt.
RP – Rapid Prototyping
Schnellhärtend für enge Timelines. Kurze Topfzeit, frühe Entformung. Für Eilaufträge und Iterationen.
Härtewahl
- 10–20 Shore A: filigran, Hinterschneidungen, komplexe Negative.
- 25–35 Shore A: Allround für Fassadenfelder, Dach und Gelände.
- ≥ 40 Shore A: grossflächig, plane Elemente.
Parameterkorridore und Auswahlmatrix
Parameter | PRO | MF | PC | RP |
Mischungsverhältnis | meist 1:1 | meist 1:1 | 100:5 bis 100:10 | 1:1 |
Topfzeit | kurz bis mittel | mittel | mittel bis lang | sehr kurz |
Entformung | schnell bis mittel | mittel | mittel bis lang | sehr schnell |
Schrumpfung | sehr gering | gering | 0.2–0.5 % | gering |
Detailabbildung | sehr hoch | hoch | mittel bis hoch | hoch |
Eignung | filigrane Details | Allround | grosse, kosteneffiziente Formen | Termine knapp |
Hinweis: Konkrete Zahlen je Typ stehen im Datenblatt. Auswahl immer anhand Geometrie, Taktzeit und Abgussmaterial treffen.
Materialkombinationen im Überblick
- Acrystal: wasserbasiert, emissionsarm, mineralisches Finish. Blasenarm verarbeitbar.
- SILIRESIN Biothan: klar/transluzent, polierbar, geeignet für Lichtelemente und LED‑Einkapselungen.
- Gips/Beton: profitieren von elastischer Entformung, saubere Kanten.
Kompatibilitätsmatrix (Richtwerte)
Abgussmaterial | PRO | MF | PC | RP |
Acrystal | ✓✓ | ✓✓ | ✓ | ✓✓ |
Biothan (klar) | ✓✓ | ✓✓ | ✓ | ✓✓ |
Gips | ✓✓ | ✓✓ | ✓✓ | ✓ |
Beton (fein) | ✓ | ✓✓ | ✓✓ | ✓ |
Legende: ✓✓ sehr geeignet, ✓ geeignet.
Prozess: so wird Präzision reproduzierbar
Rechenbeispiele für Planung und Einkauf
A) Materialbedarf Silikonform
Volumen der Form [cm³] = (L × B × H der Formbox) − Verdrängungsvolumen des Urmodells.
Bedarf [g] = Volumen [cm³] × Dichte des gewählten Systems [g/cm³] (siehe Datenblatt).
Tipp: 5–10 % Reserve für Angüsse und Verluste einplanen.
B) Taktzeit und Durchsatz
Durchsatz pro Tag = verfügbare Zeit / (Topfzeit + Entformzeit + Rüstzeit).
RP‑Serien erhöhen die Anzahl Zyklen pro Tag, PC‑Serien eignen sich für grosse Formen mit längeren Aushärtezeiten.
C) Kosten pro Abguss
(Formmaterial + Arbeitszeit + Abgussmaterial) / Anzahl nutzbarer Zyklen.
Langlebige Additionstypen senken die Stückkosten.
Formenbau‑Design: Anguss, Entlüftung, Trennstellen
- Angussführung: lange, ruhige Fliessewege. Querschnitte so wählen, dass keine Kaltlaufnähte entstehen.
- Entlüftungen: an Hochpunkten, fein und zahlreich, damit Verdrängungsluft sicher entweichen kann.
- Trennschnitt: entlang natürlicher Konturen, um Sichtflächen zu schützen.
- Einbettung: Form ggf. mit Trägerplatte oder Kassette stabilisieren, insbesondere bei ≥ 40 Shore A und grossen Flächen.
Praxisbeispiel: Perforierte Hochhausfassade (0.5 mm Stege)
Weiche Shore‑A‑Mischung für die Negativform. Vakuumentlüftet, in zwei Stufen gegossen. Acrystal liefert reproduzierbare mineralische Paneele. Einzelne transluzente Segmente werden mit SILIRESIN Biothan realisiert. Ergebnis: scharfkantige Serie, konsistente Passungen, stimmige Lichtwirkung.
Troubleshooting
- Lufteinschlüsse: Viskosität prüfen, Vakuum verlängern, Giesshöhe reduzieren, Vorlauffilm.
- Klebrige Zonen (Addition): oft Hemmung durch Kontamination. Oberfläche reinigen, Materialquellen trennen.
- Verzug grosser Flächen: Härte anheben oder Form unterstützen.
- Anrisse beim Entformen: weichere Shore oder Schnittführung optimieren.
Qualität sichern
- CTQ‑Liste (Critical to Quality): Masshaltigkeit, Oberflächenglanz, Kantenbild, Blasenanteil, Entformkräfte.
- Abnahmeplan: Probekörper vor Serie giessen, Toleranzen definieren, Freigabe dokumentieren.
- Prozessdaten: Mischung, Topfzeit, Raumtemperatur, Entformzeit protokollieren.
Checkliste Projektablauf (Studio‑Praxis)
- Urmodell versiegeln und entgraten.
- Formbox dimensionieren, Anguss/Entlüftung planen.
- Komponenten homogenisieren, korrekt abwiegen.
- Vakuum entlüften und in zwei Stufen giessen.
- Aushärten lassen, entformen, Kanten prüfen.
- Form reinigen, staubfrei lagern, nächste Zyklen planen.
FAQ
Hier finden Sie die uns am häufigsten gestellten Fragen von Modellbauern zu Formenbau mit RTV-2 Silikon.
Nicht zwingend. Vorversuch mit Originalmaterialien ist sinnvoll.
Filigrane Objekte → weichere Shore (10 - 20). Flächige Objekte → härter (25 - ≥ 40 als Richtwerte).
Kontakt mit zinn‑/schwefelhaltigen Medien vermeiden, Arbeitsplätze trennen.
Lange, ruhige Fliessewege, Entlüftungen an Hochpunkten. Vorlauf dünn, dann Volumen.